Prüft alles und behaltet das Gute!

„Prüft alles und behaltet das Gute!“ – Orientierung in einer komplexen Welt

In 1.Thessalonicher 5, 21 ruft der Apostel Paulus die Gemeinde dazu auf: „Prüft alles und behaltet das Gute!“. Ein kurzer, klarer Satz. Er soll eine Hilfe dafür sein, Entscheidungen zu treffen und gibt eine Anleitung, wonach man sich bei der Entscheidungsfindung orientieren sollte. Aber was bedeutet das konkret für unseren Alltag, und wie kann dieser Vers helfen, kluge Entscheidungen zu treffen?

Bevor wir uns anschauen, wie uns diese Bibelstelle in unserem heutigen Leben weiterhelfen kann und was in diesem kurzen Satz alles drin steckt, machen wir eine kurze Zeitreise in die Zeit des Paulus. Wir gehen direkt nach Thessaloniki, tauchen in die damalige Zeit ein.

1. Der historische Kontext

Thessaloniki war eine Stadt im Wandel, ein Knotenpunkt für Reisende, Kaufleute und Geschichten aus aller Welt. Zwischen Politik, Sport und Religion brodelte ein Strom von Neuigkeiten, der die Menschen faszinierte und verwirrte. Könige schmiedeten Intrigen, Athleten errangen Siege, und Prediger wie Paulus brachten neue Lehren.

Die Gesellschaft lebte von den Geschichten, die Reisende erzählten, und den Berichten, die Kaufleute von fernen Märkten mitbrachten. Es war eine Zeit, in der Nachrichten keine gedruckten Zeilen waren, sondern manchmal geflüsterte Worte, aus Angst vor unliebsamen Zuhörern. Manchmal erzählt am wärmenden Feuer oder auf geschäftigen Marktplätzen. Die Menschen hungerten stets nach Neuigkeiten aus der fernen Welt. Aber manches war widersprüchlich, manches offensichtlich falsch, bei manchem wusste man sofort, was einem verkauft werden sollte. Die Bedeutung eines Boten oder Berichterstatters hing von der Wichtigkeit oder Dramatik seiner Botschaft ab. Indem nur Teile einer Geschichte erzählt wurden, wurden Zuhörer bewusst auf einen falschen Weg geführt. Wahrheit und Lüge waren oft schwer zu unterscheiden. Man wusste nie, ob man gerade manipuliert wird. Aber es war zu jedem Zeitpunkt klar, man erfuhr nie alles. Immer nur einen Teil einer Geschichte.

Reisende erzählten von Aufständen, Siegen und einem Prediger namens Paulus, dessen Botschaft von Liebe und Hoffnung, die einige Menschen tief berührte. Doch es gab auch Skeptiker: Waren die Worte des Paulus wahr und sind sie die rettende Hoffnung in einer moralisch heruntergekommenen Zeit oder doch nur schöne Worte?

Neue Lehren und alte Traditionen stießen aufeinander, und die Menschen waren gezwungen, das Gehörte mit ihrem eigenen Glauben und Verstand abzuwägen. Wie konnte man sich sicher sein, dass aus dem Prediger die Stimme Gottes sprach und es sich nicht bloß um einen geschickten Redner handelte, der die Menge in seinen Bann zog und sich von neuen Anhängern durchfüttern lassen wollte?

Es war eine Welt voller Möglichkeiten, aber auch voller Zweifel, Unsicherheit und Sittenverfall. Die Götter hatten keine Autorität und die Werte hatten keine Grundlage mehr. In dieser Zeit des Wandels und der Unsicherheit wurde das Streben nach Wahrheit zu einem der wichtigsten Ideale.

2. Ein biblischer Kompass für den Alltag

Paulus schreibt diesen Satz an Menschen, die in einer Zeit lebten, die ähnlich unserer Zeit gewesen waren. Viele Meinungen, Lehren und Ideen – nicht so viel anders als wir heute. Der Unterschied: damals gab es keine sozialen Netzwerke oder Medien, die Meinungen im Sekundentakt verbreiteten. Heute sehen wir uns einer Flut von Informationen gegenüber, die uns in der Menge oft überfordert. Man könnte den ganzen Tag damit verbringen, sich auf den Lieblingsplattformen dem Algorithmus der Datenkraken hinzugeben und ständig das zu konsumieren, was einen bestätigt.

„Prüft alles“ heißt: Höre nicht blindlings auf das, was dir begegnet und hinterfrage dich selbst. Sei es ein verlockendes Angebot für ein Geschäft oder der Berufswahl, eine scheinbar harmlose Aussage oder eine politische Botschaft – nicht alles, was glänzt, ist Gold. Paulus fordert zur Wachsamkeit auf.
Wachsamkeit bedeutet, darauf zu achten, dass man sich nicht selbst etwas in die Tasche lügt. Man muss lernen, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein. Wenn man ganz ehrlich zu sich selbst ist, bleiben keine Zweifel oder falschen Absichten mehr übrig. Die Suche nach der Wahrheit erfordert eine umfassende Selbstprüfung, bei der wir alle unsere Vorurteile und verborgenen Motive hinterfragen.

Aber dabei bleibt es nicht: Der zweite Teil des Verses gibt die Richtung vor: „Behaltet das Gute!“. Prüfen allein reicht nicht, wir sollen das herausfiltern, was wirklich Bestand hat – Werte, die auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe gründen. Oft ist es nicht wichtig, ob man es so herum oder andersherum macht. Viel wichtiger ist es, was vor Gott zählt.
Hinterfragen wir uns selbst einmal: wie kommen wir zu einer Entscheidung, wie gehen wir miteinander um, wie und worüber reden wir, was verbreiten wir und womit verbringen wir unsere meiste Zeit?

3. Wie prüfen wir alles?

Prüfen bedeutet im biblischen Sinne nicht, alles von vornherein abzulehnen oder misstrauisch zu sein. Es geht darum, mit einem wachen Geist und einem klaren Herz zu hinterfragen.

Ein praktischer Ansatz ist es, sich drei Fragen zu stellen:

  • Was ist die Quelle? Woher kommt die Information? Stammt sie von jemandem, der allgemein vertrauenswürdig ist oder von jemandem, der vor allem eigene oder ideologische Interessen verfolgt?
    In 1.Johannes 4, 1 werden wir ermahnt: „Ihr Lieben, glaubet nicht einem jeglichen Geist, sondern prüfet die Geister, ob sie von Gott sind; denn es sind viel falsche Propheten ausgegangen in die Welt.“
  • Passt es zu Gottes Werten? Entspricht das Geprüfte den Grundprinzipien von Wahrheit, Gerechtigkeit und Nächstenliebe? Ein einfaches Beispiel: Ein Versprechen, das auf Kosten anderer geht, passt nicht zu Gottes Liebe. Ein anderes Beispiel ist, das destruktive Festhalten an Oberflächlichkeiten und die dahinterliegende Lösung bzw. Entwicklung widerspricht Gottes Vorstellungen. Es gibt einen bekannten Ausspruch, der es einfacher ausdrückt: „reite kein totes Pferd“.
    Zu christlichen Werten gehört durchaus, was unsere Worte und Taten in anderen bewirken können und wie wir mit der uns anvertrauten Schöpfung umgehen sollten.
  • Welche Früchte bringt es hervor? In Matthäus 7, 16 heißt es: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“ Wenn eine Aussage zu Spaltung, Hass oder Lüge führt, ist sie wahrscheinlich nicht das Gute, das wir behalten sollen. Auch nicht, wenn Aussagen dazu führen, dass andere sich dadurch ermutigt fühlen, Gewalt gegen andere anzuwenden.

4. Prüfen heißt nicht Perfektion erwarten

Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass kein Mensch, keine Gemeinde, kein Verein und keine Partei perfekt ist. Auch wenn es um einen neuen Job oder Kaufentscheidungen geht, es wird nie die perfekte Lösung geben. Die Welt von heute ist sehr komplex, weil die Berichterstattung vielfältig geworden ist und zu einer Überforderung vieler Menschen führt. Viele Menschen lieben die einfachen Antworten und Lösungen – und die Bequemlichkeit. Aber die gab und gibt es nicht so oft, wie wir es uns denken.
Leider scheint die Einsicht manchesmal auch nicht sehr groß, um zu verstehen, was bereits Paulus mal gesagt hatte: „unser Wissen ist Stückwerk“.
Wir sehen eine Bestätigung anhand der exponentiell verlaufenden technischen Entwicklung. Es geht schneller voran, als der menschliche Geist die Entwicklungen verdauen kann. Das Wissen und die Möglicheiten verändern sich ständig. Die guten Erfahrungen und Argumente heute, sind mit dem Wissen und Erfahrungen von morgen, keine guten Argumente mehr.
Wir sollten uns daran erinnern, dass wir in dieser Welt nur unvollkommene Wesen sind. Erst in der Ewigkeit gibt es die Vollkommenheit und dann sehen wir alles. Daher sollte man nicht den Fehler machen, von anderen und sich selbst Fehlerlosigkeit zu erwarten.

Noch einmal ganz deutlich: „Prüfen“ bedeutet nicht, einen fehlerlosen Maßstab anzulegen und endlos unentschieden zu sein. Es heißt vielmehr, das Beste zu wählen, was gerade möglich ist, und gleichzeitig kritisch zu bleiben und bereit sein zu einer Korrektur oder Veränderung, wenn es bedeutende neue Erkenntnisse gibt.
Unser Anspruch sollte immer das Bestmögliche sein, aber auch nicht so, dass wir zu gar nichts mehr kommen.

5. Was würde Jesus tun?

Bei all dem, wenn wir Argumente hin und her abwägen, müssen wir uns eingestehen: Unsere Weisheit ist begrenzt. Deshalb fordert die Bibel uns auf, Gott um Weisheit zu bitten. In Jakobus 1, 5 heißt es: „Wenn es aber jemandem unter euch an Weisheit mangelt, so bitte er Gott, der allen gerne und ohne Vorwurf gibt.“
Gebet ist ein zentraler Bestandteil des Prüfens.

Psychologen haben ein Phänomen eingehend untersucht, das als „kognitiver Bias“ bekannt ist. Da geht es darum, dass wir Menschen oft schon eine Vorentscheidung in uns tragen und versuchen Gründe zu finden, um diese Vorentscheidung zu rechtfertigen. Menschen erfinden Fakten, lehnen andere ab oder leugnen sie, wenn sie ihren vorgefassten Meinungen widersprechen. Auch zweifelhafte Quellen oder Medien, die von Menschen mit zerstörerischen Geist betrieben werden, werden zu vertrauten Quellen und zu Hilfe geholt. Mit einher geht auch das selektive Lesen und verarbeiten von Texten. Es ist, ob als man mit Scheuklappen und hoher Geschwindigkeit durch einen Nebel rast. Die Suche nach Experten außerhalb des wissenschaftlichen Konsenses dient oft dazu, zu verwirren und von den tatsächlichen Fakten abzulenken.
Irgendwo findet man immer etwas, was einem eine Bestätigung für jede beliebige Haltung geben kann, nur um das zu tun, was man eh tun wollte. Man sucht solange, bis man die nötige Rechtfertigung für die innere Vorentscheidung findet.

Die innere Vorentscheidung wird – aus geistlicher Sicht betrachtet – von sehr irdischen Bedürfnissen gesteuert, wie z.B. von Sehnsüchten oder Ängsten verschiedenster Art. Das ist nicht immer verkehrt, aber es kann wichtig sein zu wissen, woher manche Motivation kommt. Es ist wichtig zu wissen, um sich selbst zu erkennen und ehrlich mit sich selbst zu werden.

Doch wir sollen nicht nur die Prüf-Sache prüfen, die vor uns liegt. Es ist wichtig, sich selbst und die eigene Motivation zu prüfen. Es hilft uns, nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit dem Herzen zu erkennen, was das Gute ist. Daher – nochmals – ist das Gebet mit der richtigen Herzenshaltung wichtig, wie es in Johannes 4, 24 erklärt wird: „Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten“

Fragen zum Nachdenken: Was treibt dich an, weshalb du eine bestimmte Einstellung hast oder das eine mehr möchtest als das andere? Würde Jesus genauso handeln und entscheiden?

„Prüft alles und behaltet das Gute!“ – dieser Satz erinnert uns daran, wachsam und klar in unseren alltäglichen und nicht alltäglichen Entscheidungen zu sein. Lassen wir uns nicht von großen Worten blenden, sondern suchen wir nach Wahrheit und Beständigkeit.
Und vergessen wir nicht: Gott gibt uns die Kraft, mit Weisheit und Liebe zu handeln. Wer sein Vertrauen auf Ihn setzt, bleibt auch in einer komplexen Welt fest verankert.

Es grüßt Sie

Munir Hanna
für das Evangeliumsnetz e.V.


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